Die Newsletter-Abonnentenzahl
Letzte Woche erhielt meine Mailbox eine schlechte Nachricht. Einer meiner Lieblings-Newsletter verabschiedete sich. Good-bye WOW. Er hat mich während eines Jahres begleitet, gab mir Einblicke in digitale Welten und lustige Kampagnen, wundervolle Kompositionen und erinnerungswürdige Geschichten. Warum hat der Kurator David Blum aufgehört? Interessant ist seine Argumentation im letzten Versand: Nach einer gewissen Zeit habe sich das Abonnentenwachstum verlangsamt, bis es zum Stillstand kam. Immerhin 500 Leute, darunter Grafik-Designer, Kreative, CEOs und Agenturinhaber, folgten zum Schluss dem Newsletter. Davids Bemühungen über Social Media-Kanäle mehr Abonnenten zu gewinnen, verpufften dagegen.David ergänzte auf Anfrage, dass auch das Verhältnis zum Aufwand mit ein Grund war, den Newsletter nicht weiterzuführen. Zudem habe er für sich im Vorhinein ein Jahr ausgemacht, um mit dem Medium Newsletter herumexperimentieren zu können. Auf die Learnings daraus (welcher Content kommt besser an, bei welcher Versandzeit sind Open-Rates besser oder kann man mit englischen Texten US-User erreichen?) bin ich sehr gespannt.
Aber 500 Personen waren’s, die wöchentlich einem Newsletter folgten, der frisch und vielfältig interessante Fundstücke aus dem Netz den Lesern feilbot. 500 Personen, ist das nun viel? Oder eben zu wenige?
Die Content Marketing-Perspektive
Wenn man die richtige Zielgruppe erreicht, und die einen Nutzwert aus den regelmässig erscheinenden Inhalten ziehen kann, dann gibt es eben nicht «zu wenige». Auf dieser klar umrissenen Abonnentengruppe kann aufgebaut werden. Wie könnte eine weitere Anbindung dieser Personen aussehen? Wie sollte sich das Verhalten der Leser ändern, was könnten sie als Nächstes wollen? Denn entscheidend ist nicht der Content, sondern die Bindung von Abonnenten an eine Reihe oder, weil schliesslich das Persönliche immer gewinnt, die Bindung an einen Kurator oder eine Kuratorin. Diese Verbindung hätte man meiner Meinung nach weiter bewirtschaften können, sei es mit Webinaren, Kursen, Publikationen und vielen weiteren Kanälen mehr. Klar geht man diesen Weg nur, wenn man offen und tatkräftig für verschiedenste Entwicklungen ist, die einen zum Schluss ganz woanders hinlenken können, als man es je gedacht hätte. Frei nach der Methode von Joe Pulizzi: Zuerst baut man einen treuen Abonnentenstamm auf und dann erst entwickelt man daraus ein passendes Produkt.Lernen für eigene Newsletter-Initiativen
Wie mir David bestätigt hat, war der WOW-Newsletter einfach eine Herzensangelegenheit, ohne etwas sein zu müssen, geschweige denn in die kommerzielle Richtung zu weisen. Fair enough. Trotzdem finde ich, kann man bestimmte Dinge daraus lernen, die für jeden Newsletter gelten. Diese Fragen sollte man sich beim Start eines Newsletter stellen:- Welches Ziel möchte ich nach einem Jahr erreicht haben? Z.B. wie viele Abonnenten sollten es dann sein? Sind es 500? Sind das genügend viele?
- Szenarien durchspielen: Was passiert, wenn keine neuen Abonnenten mehr dazukommen? Reicht das für mich, dann mit den bestehenden Abonnenten weiterzufahren?
- Welche Zielpersonen spreche ich an? Was ist deren Gemeinsamkeit?
- Wie lässt der Newsletter meine Leser zurück? Wenn sie meinen Newsletter regelmässig lesen, was könnten ihre nächsten Handlungen sein? Welche Verhaltensänderung strebe ich bei den Abonnenten an?
Nach meiner Erfahrung muss fast jedes Projekt spätestens mittelfristig auch wirtschaftlich funktionieren. Nur dann besteht die Chance, dass die Inputgeber ihren grossen Aufwand sich selbst gegenüber rechtfertigen können. Wirtschaftlicher Erfolg wird allerdings schwierig ohne wirtschaftliches Ziel. Ich glaube, dass du mit sanfteren Worten das Gleiche sagst. Und solange du Joe Pulizzi zitierst, hast du sowieso immer recht. 🙂 David Blum sollte vielleicht bei Scope von Peter Hogenkamp weiter kuratieren. Erich, danke für diesen Beitrag.
@Dave gibt es nicht mehr, als dass ein Newsletter “wirtschaftlich funktionieren” muss? Was ist mit Image und Longtail-Effekt? Vielleicht ergibt sich aus nur einer Person die den Newsletter liest einen Lead, von dem man bis zum Ende des Lebens leben kann?
Ich habe mir keine wirklichen Ziele gesetzt, ausser dass ich es ein Jahr lang versuchen will. Hätte ich ein kommerzielles Interesse dahinter gehabt, würde ich meinen, dass man das mindestens zwei Jahre lang versuchen muss. Es braucht Durchhaltevermögen und eine mittelfristige bis langfristige Planung / Zielsetzung. Das Verhalten im Web ändert sich fortlaufend. Der Hype um die persönlichen Newsletter begann vor 1-2 Jahren (auch ein Grund, warum ich’s versucht habe). Unterdessen starteten wieder viele Brands und Personen mit dem “veralteten” Newsletter durch, da die Marketing-Abteilungen die frohe Botschaft verkündeten, dass Newsletter immer noch die beste Kunden-Bindung sind und nach wie vor besser performen als alle anderen digitalen Formate.
Doch so langsam kommt jetzt halt wieder die Übersättigung. Wenn ich wollte, könnte ich alleine in meiner Design-Branche locker 50 Newsletter abonnieren, die grossartige Inhalte bringen. Doch wann will ich die lesen? Das verhalten von Newsletter-E-Mails in Postfächern rutsch vermutlich immer mehr ins Zweitpostfach. GMail macht’s automatisch, fortgeschrittene User nutzen Regeln um Newsletter in ein separates Postfach zu bewegen und diese dann wie die ausgestorbenen RSS-Feeds zu lesen.
Mein WOW-Email hatte eine Open-Rate von über 50%. Dies im Vergleich zu den Branchenüblichen 17% (gemäss Mailchimp). Das ist eine grossartige Open-Rate, aber dann auch “nur” noch 250 Leser. Von diesen Lesern wiederum klickten zwischen 20 – 40% die Links im Newsletter an (auch dass ist viel im Vergleich zu üblichen Werten). Das wären dann bei 30% noch 75 Klicks verteilt auf 5 Beiträge: 15 Klicks bleiben übrig, die es in die Wagschaale zu legen gilt, wenn man den Unterhalt des Newsletters finanzieren will (was ich längerfristig wollte). Doch bei 15 Klicks kriegt man auch mit Affiliate nicht genug geld rein, um beispielsweise die beiden Tools zu bezahlen, die ich für den Versand benutzt habe (Mailchimp und Goodbits).
So galt es für mich abzuwägen, ob ich weiterhin Geld drauflegen oder ob ich das Experiment mit vielen Tollen Erfahrungen beenden wollte. Und da ich der alleinige Herrscher über mein Projekt war, konnte ich frei eintscheiden und machte Platz für ein nächstes Experiment.
Scope wäre interessant, bekäme man Geld für die Arbeit. Das ist meines Wissens (noch?) nicht so. Und alleine um des Personal Brandings wegen ist mir der Aufwand zu gross. Und: ich bin und bleibe gerne unabhängig.
David, danke für die Einblicke. Image und Longtail-Effekt sind für mich wirtschaftliche Effekte. Wir sind uns bis hierhin einig und zusammen mit deinen weiteren Infos gibt es somit nur drei mögliche Gründe aufzuhören: 1) Du wolltest nur mal testen – Gratulation, grossartige Erkenntnisse; 2) Länger als ein Jahr war nie die Idee; 3) ohne weiteres Wachstum kein Bock mehr auf den Aufwand. Die Antwort gibst du selbst. Besonders interessant finde ich deinen Hinweis darauf, dass nach ersten Erfolgen mit einer Strategie/Taktik viele recht gute Nachahmer den Spielplatz verstopfen. Genau meine Beobachtung. Es gibt für mich zum Beispiel nichts Schlimmeres als 0815 Content Marketing für Content Marketing. Alles millionenfach durchgenudelt und schamlos trotzdem nochmals das Gleiche. Als Nutzer von Content fällt meine Wahl in überschwemmten Themen auf die Topinstanz (Joe Pulizzi und Robert Rose im Thema Content Marketing), das Original (gleich nochmals Joe Pulizzi, um beim Beispiel zu bleiben), jene, die einen Schritt weiter sind (Brian Solis und Robert Rose mit ihrem Fokus auf Brand Experiences) und die Besonderen, die in der Nische arbeiten (Paul Roetzer, Marketing Artificial Intelligence). Du motivierst mich mit deinen Gedanken, noch konsequenter die erste Welle zu reiten – oder sie sogar anzustossen. Joe Pulizzi würde dazu sagen: Entweder kannst du in deinem Thema die Nummer 1 werden oder du lässt es gleich bleiben.
Danke für deine Zusammenfassung. So gut konnte ich es nicht ausdrücken, aber genau so meinte ich es. Good Luck!