Die eigenen Gedanken zu teilen. Dieses Bedürfnis treibt Publizierfreudige im Internet an, ob Web-Veteranen oder Digital Natives. Früher fand das im Blog statt, heute sind auch längere Beiträge auf Medium, LinkedIn, Facebook und ähnlichen Plattformen möglich. Die beiden Publishing-Arten dienen jeweils einer anderen Funktion. Damit erübrigt es sich, sie gegeneinander auszuspielen.

Meike Leopold hat in einer Blogparade über das Bloggen ohne Blog die Frage aufgeworfen, wie sich die Entwicklungen (lies: stärkere Verbreitung) der neuen Publizierungsplattformen «auf uns Blogger» auswirken.

Die Blogger gibt es nicht (mehr)

Dieses Miteinbeziehen ergibt ein gutes Gefühl, nicht? Wer möchte nicht ein Teil einer verschworenen Gemeinschaft sein? Doch es zeigt auch, woran es der Diskussion mangelt: «Wir Blogger» haben uns in der eigenen Kommune gemütlich gemacht. Aber draussen gibt es noch manch andere und viele werden noch kommen. Dabei haben sie die gleiche Lust wie wir: Sie wollen sich mit ihren Inhalten mit anderen verknüpfen.

Kurz: «Die Blogger» gibt es nicht (mehr).

Es gäbe jetzt zig Möglichkeiten, diese grosse Gruppe auszudifferenzieren, doch uns interessiert hier, wie es sich mit dem Bloggen ohne eigenen Blog* verhält.

Daher nehme ich der Einfachheit halber eine Zweiteilung vor:

  1. Publishers to come (aka «die Jungen»)
  2. Altgediente Blogger / Corporate Blogger /Entrepreneur-Blogger

Bevor ich die beiden Gruppen beschreibe, einige wichtige Vorbemerkungen über das Publizieren.

Publizieren an sich ist wertvoll

  • Sich Gedanken machen
  • Argumente strukturieren
  • Eine möglichst stringente Erzählstruktur für die Lesenden finden

Was wir beim Publizieren machen, ist in erster Linie Selbstermächtigung.

Wenn wir von Business-Blogs sprechen, gehört notwendigerweise noch dazu:

  • Möglichst viele sollen die Zeilen lesen

Ihr mögt einwenden, dass sich das auch für einen privaten Blog gehört. Nun, viele von uns haben via einen Reiseblog erste Erfahrungen mit diesem Medium gesammelt. Bevor Facebook diese Funktion beinahe restlos übernommen hat, liebten wir es, unsere Gedanken und Erfahrungen von unterwegs aufzuzeichnen. Und ehrlich gesagt, war es uns doch egal, ob vielleicht «nur» die eigenen Eltern und zwei Freunde diese Zeilen gelesen haben. Denn das Schreiben hat für sich Spass gemacht.

Bloggen als Selbstermächtigung, eben.

Wo publizieren? Jedem nach seiner Façon

Was hat dies mit unseren beiden mitteilungswilligen Gruppen zu tun? Das Grundbedürfnis bleibt gleich, nur erfüllen die verschiedenen Plattformen andere Funktionen.

1. Publishers to come (mangels besserer Terminologie: die Jungen)

Für die Jungen, die Lust auf Schreiben haben, bieten die Publishing-Plattformen wie Medium, LinkedIn Pulse oder Facebook Notes ein Spielfeld. Es ist niederschwellig, und das ist das Entscheidende.

Junge mögen es, sich mitzuteilen und Aussergewöhnliches zu teilen. Viele favorisieren visuellen Content. Es scheint einfacher (und lustvoller) einen Snap, ein Instagram, einen Pin zu posten oder Lieblings-Clips und animated gifs zu teilen.

Aber: Vielleicht gibt es auch manche, die sich gerne textlich exponieren möchten. Dann sind die neuen Longform-Möglichkeiten in den Social Media ideal.

Bei LinkedIn Pulse oder Medium lernen die Jungen: Schnell ist etwas publiziert, es wird wahrgenommen und es gibt vielleicht erste Kommentare. Der erste Einstieg ins Publishing. Herzlich willkommen!

Nebenbei: Vielleicht nennen die neuen Schreibtalente das nicht mehr «bloggen», sondern «publizieren», «schreiben», was auch immer. Es ist eigentlich egal.

2. Altgediente Blogger / Corporate Blogger / Entrepreneur-Blogger

Blogger (darunter natürlich auch viele Frauen) mit Erfahrung hängen stark an der Definition «Blog= selbst gehostete Webseite mit fortlaufenden Beiträgen, aktuellste dabei zuoberst». Als diese Gruppe vor 10, 15 Jahren etwas veröffentlichen wollte – mit der gleichen Motivation wie die Jungen unter Punkt 1 – hiess die technische Lösung, einen Blog aufzusetzen. Dieses Gefäss nun aus der Entstehungsgeschichte zu favorisieren, taugt aber nicht.

Marketingzwecke oder Eigentumsrechte sind dagegen Gründe, die den Entscheid zugunsten eines eigenen Blogs substantiell untermauern.

Ich möchte hier das Feld nur stichwortweise umreissen. Wer sich für die Details interessiert: Die im nächsten Abschnitt eingefügten Links führen die Argumentation weiter aus.

Der eigene Blog aus Marketinggründen und gegen stürzende Empires

  • Suchmaschinenoptimierung
  • User Experience Optimierung
  • Spezifische Landing Pages
  • Prominente Call to Actions
  • E-Mail-Eintragformulare

Das lässt sich auf dem eigenen Blog umsetzen – und eben nicht auf den Fremdinhalte-Plattformen Facebook, LinkedIn oder Medium (konziser Überblick von Moz).

Und dann geht es noch um das Eigentum des mit viel Aufwand produzierten Content. «Don’t build your home on rented land», denn wenn das Publishing-Empire stürzt, fallen die eigenen Inhalte auch in Schutt und Asche. (Schön ausgeführt von den Content Marketern Joe Pulizzi und Robert Rose, Podcast ab ca. Minute 5).

Das sind alles ausreichende Gründe für altgediente Blogger, Corporate Blogger oder Entrepreneur Blogger, auf eigenen, selbst gehosteten Plattformen zu publizieren. Aber nicht, weil man es vor 10 Jahren so gemacht hat.

Zum Schluss: Wie geht man mit den neuen Publizierenden um?

Wir können uns alle freuen, wenn ein oder eine Digital Native direkt den Sprung in die Gruppe 2 wagt, sich die Mühe nimmt, sich durch das Aufsetzen eines WordPress-Themes, die Domain-Registration und die Hosting-Auswahl durchzuackern. Das ist in den jetzigen Zeiten, wo alles «ready to publish» ist, ein enormer (zumindest gefühlter) Initialaufwand für die Jungen. Doch die Bloggemeinde soll auch akzeptieren, wenn sie sich in den neuen, eingezäunten Publishing-Plattformen zuerst austoben wollen. Denn über die Qualität der Inhalte sagt die Auswahl der Plattform rein gar nichts mehr aus.

Nachtrag 9.3.2016 (quasi in media res): Dieser Artikel erschien zuerst auf meinem LinkedIn-Profil am 9.2.2016 und war mit Abstand mein am meisten beachtete Blogbeitrag. Laut LinkedIn-eigener Statistik erreichte der Post mehr als 20’000 Ansichten (wie immer die auch gezählt werden). Das war nur möglich, weil dieser Beitrag im LinkedIn Pulse-Kanal Meinungen & Macher gefeatured wurde. Wie ein Eintrag in diese Heavy Rotation zustande kommt, ist unklar, was das Publizieren auf LinkedIn sowohl attraktiv als auch unvorhersehbar macht.