Das Gespräch kennen Sie vielleicht: Jemand sagt, dass Content Marketing das neue Ding sei, und der andere meint, dass es das schön länger gäbe, nur habe man es einfach nicht so genannt.

Mir hat letzthin jemand entgegnet: «Das gab’s schon früher. Brückenbauer (der Migros) und Coop-Zeitung bewiesen, dass die Grossverteiler schon im Alltagsleben unserer Mütter eine Rolle spielten.»

Richtig an der Aussage finde ich: Firmen, die auf Content Marketing setzen, müssen sich als Publisher verstehen. Und früher ging das nicht anders als über eine Kunden- oder Mitgliederzeitschrift.

Nur habe ich Mühe damit, dass die beiden grossen Kundenmagazine ein gutes Beispiel für Content Marketing abgeben. Mehr (Migros) oder weniger (Coop) reizvolle Geschichten, welche die Schweizer in der Form einer Wochenillustrierten bilden oder unterhalten sollen, werden mit Inseraten umwickelt.

Daher finde ich eine Übersicht über verschiedene Erscheinungsformen von Inhaltsprodukten sinnvoll, und wir sollten uns fragen, ob sie mit Content Marketing etwas zu tun haben.

Welchen Zweck sollte das haben? Z.B. der, dass beim nächsten Gespräch zwischen Marketer und Geschäftsführer kein Missverständnis aufkommt, wenn der Geschäftsführer den Auftrag gibt, mehr Content Marketing zu betreiben.

Was ich unter Content Marketing verstehe

Grundlegend ist schon mal der Unterschied, ob die Kunden danach suchen, ihr Bedürfnis zu stillen oder ob sie ungefragt mit Informationen beliefert werden (mehr zu Pull vs Push). Für mich ist im Content Marketing zentral, dass ein Kundenbedürfnis am Anfang steht, das ein Unternehmen mit hochwertigen Informationen zu befriedigen vermag. Dabei wird der Inhalt stufengerecht ausgeliefert und soll die Kunden Schritt für Schritt näher ans Unternehmen führen, idealerweise bis zum Abschluss.

Oder kurz im rauesten Marketing-Denglisch: Im Inbound-Prozess werden die Kunden im Trichter runter-converted.

Doch nicht nur die Verbindung zum Kunden ist essentiell, sondern auch jene zu den Unternehmensbotschaften. Daher sollten in den publizistischen Erzeugnissen die Qualität der Produkte und Dienstleistungen oder das Expertenwissen der Mitarbeitenden eine entscheidende Rolle spielen.

Welche Inhaltsrollen es gibt und ob es sich dabei um Content Marketing handelt

Hier mein Versuch, einige Inhaltsrollen zu charakterisieren.

  1. Die Kuppelprodukt-Bespieler
  2. Die Fachkenner
  3. Die Vernetzer bzw. die Überblickgeber
  4. Die Markenbotschafter

1. Die Kuppelprodukt-Bespieler

Die Leute lieben die Geschichte von Michelin, weil sie so simpel ist und der Erfolg immer noch anhält. Das Büchlein des Reifenherstellers sollte die Fahrenden an interessante Orte führen, so dass die Reifen auch wirklich abgenutzt werden (wir sprechen von der Zeit um 1900). Und wenn man unterwegs ist, bekommt man auch Hunger und will wissen, welche Gaststätten einen möglichst gut verköstigen. Ergo die Michelin-Punkte in den Guides des Reifenfabrikanten (weitere historische Beispiele hier).

Gut daran ist, dass die Gebrüder Michelin den ganzen Erlebniskontext um ihre Pneus sahen. Zweifelsohne war der Inhalt von Kundennutzen, nur verband man Michelin bald mehr mit Ortsführern und Restauranttestern. Für die Markterweiterung damals sinnvoll, ist das heutzutage in der differenzierten Produktwelt wohl ein bisschen zu umwegig. Kurz: Es ist Content Marketing, aber zu weit weg vom Kerngeschäft.

2. Die Fachkenner

Auch hier bietet die Geschichte ein schönes Beispiel, weit weniger bekannt als Michelin. Pfluge und andere Landwirtschaftsmaschinen, das sind die Produkte der John Deere Company. Und die Mitarbeiter verstehen natürlich etwas von den Problemen der Bauern, daher wird 1895 das Magazin «The Furrow» eingeführt (noch mehr zur Geschichte).

Seitdem wird «The Furrow» von den Lesern wegen der zahlreichen Tipps geschätzt. Und John Deere konnte sich als Experte in diesem Bereich positionieren.

Fazit: Hochwertige Informationen mit Nutzwert, das Unternehmen wird als Experte wahrgenommen. Content Marketing par excellence.

In der heutigen unübersichtlichen Netzwelt mit einem Überhang an Informationen ist es natürlich schwieriger geworden, sich als Experte zu positionieren. Je spezifischer das Fachgebiet und je entfernter vom Direktkundengeschäft, desto eher kann das gelingen. Trotzdem hier einige aktuelle B2C-Beispiele des Typus «Fachkenner».

3. Die Vernetzer bzw. die Überblickgeber

In einem spezialisierten Markt oder allgemein im B2B-Bereich fahren Unternehmen mit der Strategie gut, einen möglichst grossen Anteil der Diskussion zu beanspruchen, die in ihrem Gebiet geführt wird. Am konsequentesten geschieht das mit einem eigenen Themenportal, das verschiedene, am besten alltägliche Facetten der eigenen Produktlinie oder Dienstleistung beleuchtet. Natürlich muss die Glaubwürdigkeit der Plattform etabliert werden, dafür sorgen dann die Beiträge über verwandte Produkte oder von externen Autoren.

Besonders gut gefällt mir Urban Hub von Thyssen Krupp Elevators. Denn die Plattform erwischt uns bei der kindlichen Faszination an hohen Gebäuden. Darüber lesen wir gerne (weitere Beispiele von Themenportalen hier).

Und hier sieht man nun auch den Unterschied vom Rolle 3 zu Rolle 1. Während die Vernetzer (hier Thyssen Krupp Elevators) immer noch die publizierten Inhalte mit den Kernkompetenzen ihrer Produkte verbinden, gelingt dies dem Kuppelprodukt-Bespieler (Michelin) eben nicht mehr. Content Marketing ist aber beides, einfach unterschiedlich resultatorientiert.

4. Die Markenbotschafter

Nun gibt es ja noch das erwähnte Beispiel der Coop-Zeitung oder des Migros-Magazin. Klar, die Organe dienen der Markenwahrnehmung, der Kundenbindung und teilweise dem Aufbau einer Community. Die Inhalte sind dagegen austauschbar, stehen auch nicht im engen Bezug zu den beiden Lebensmittelkonzernen. Genau diese weitgehend fehlende Ausrichtung an Kundenfragen (mit Ausnahmen von Rezepten u.a.) machen meiner Meinung nach diese Magazine eben nicht zu einem glanzvollen Beispiel von Content Marketing.

Gibt es weitere Inhaltsrollen?

Die Frage stellt sich für mich, ob in einem Massenkonsumgeschäft überhaupt Expertenwissen und damit exklusive Inhalte für die breite Bevölkerung von Interesse sind. Doch Ikea beweist ja genau dies, dass sich Leute nicht alleine für Einrichtungsgegenstände interessieren, sondern sich Fragen übers Wohnen im Allgemeinen stellen.

Ich habe versucht, ein bisschen das Verständnis für Content Marketing zu schärfen, indem ich verschiedene Inhaltsrollen benannt habe. Mich interessiert deshalb: Welche andere Inhaltsrollen sehen Sie, die im Content Marketing bedeutsam sind? Ich freue mich über ein Weiterdenken zu diesem Aspekt.

Dieser Text erschien zuerst bei LinkedIn Pulse. Speziell interessant sind die dort eingegangenen Kommentare.